Halbjahresbilanz der deutschen Möbelindustrie
Zwischen Krise und Zuversicht

Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie. Foto: VDM

Die deutsche Möbelindustrie hat im ersten Halbjahr 2024 die Kaufzurückhaltung der Verbraucher zu spüren bekommen, setzt aber auf eine leichte saisonale Belebung der Möbelnachfrage in den kommenden Monaten. 

„Wir gehen davon aus, dass die Branche die Talsohle durchschritten hat“, sagte Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie, bei der Jahres-Wirtschaftspressekonferenz in Köln. Erste vorsichtige Indikatoren sende die Tendenz zur Aufhellung des Konsumklimas im bisherigen Jahresverlauf. Zudem habe sich das vom Ifo-Institut gemessene Geschäftsklima in der Möbelindustrie im August leicht verbessert. Anlass für Zuversicht biete auch die Tatsache, dass viele Bundesbürger angesichts des Abflachens der Inflationsrate und angesichts von Lohn- und Gehaltserhöhungen steigende Reallöhne verbuchten. Darüber hinaus rücke die Einrichtung des eigenen Zuhauses im Herbst traditionell wieder stärker in den Fokus der Menschen und löse das im Sommer dominierende Thema Reisen ab. 

Einbußen in allen Segmenten

Allerdings werden auch durch diese positiven Signale die Verluste aus dem ersten Halbjahr nicht aufgeholt werden können. In den ersten sechs Monaten des Jahres sank der Umsatz der deutschen Möbelindustrie laut amtlicher Statistik nämlich um 9,7% auf 8,3 Mrd. Euro. Auf dem Heimatmarkt setzten die für die Statistik relevanten 417 Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten rund 5,6 Mrd. Euro um und damit 9,1% weniger als im Vorjahreszeitraum. Noch stärker rückläufig entwickelte sich der Auslandsumsatz mit einem Minus von 10,9% auf 2,7 Mrd. Euro. Die Exportquote betrug rund ein Drittel.

Sämtliche Segmente der Branche mussten dabei Einbußen hinnehmen. In der Küchenmöbelindustrie belief sich der Umsatz auf rund 2,9 Mrd. Euro, ein Minus von 9,8%. Die Hersteller von Polstermöbeln registrierten einen Umsatzrückgang von 11,2% auf rund 500 Mio. Euro. Die stärkste Einbuße verzeichnete die Sparte der sonstigen Möbel, darunter Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbel sowie Möbelteile, deren Umsatz um 15% auf 2,5 Mrd. Euro fiel. Das kleinste Segment der Branche – die Matratzenindustrie – vermeldete ein leichtes Umsatzminus in Höhe von 1,3% auf knapp 270 Mio. Euro. Auch die Investitionsgütersegmente der Möbelindustrie registrierten eine rückläufige Geschäftsentwicklung. Die Büromöbelindustrie erzielte einen Umsatz von rund 1,1 Mrd. Euro – minus 1,8% –, die Hersteller von Laden- und sonstigen Objektmöbeln lagen mit einem Umsatz von rund 980 Mio. Euro um 3,7% unter dem Vorjahr.

Große Herausforderungen

„Die Ursachen der Kaufzurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher in den vergangenen Monaten sehen wir neben den gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen auch in der politischen Verunsicherung aufgrund des Zustandes der Ampel-Regierung“, sagte Kurth. „Wirtschaft – das wissen wir – ist immer auch Psychologie, und was die Ampel derzeit als Stimmungsbild nach außen liefert, trägt zur Verunsicherung und zum Verdruss der Bürgerinnen und Bürger bei. Viele haben den Glauben daran verloren, dass diese Regierung noch ernsthaft Probleme lösen kann und aus dem lähmenden Streitmodus vor der nächsten Bundestagswahl herausfindet.“

Dazu passe auch die Stimmung in der Möbelindustrie: Als ihre größte Herausforderung nennen die Unternehmen in einer aktuellen Verbandsumfrage mit großem Abstand das schwache Konsumklima. Dahinter folgen der wirtschaftspolitische Stillstand in Deutschland, die überbordende Bürokratie,  der Fachkräftemangel sowie die gestiegenen Lohn-, Gehalts- und Energiekosten. Wie die jüngste Verbandsumfrage ergab, haben auch deshalb im August 38% der befragten Unternehmen Kurzarbeit beantragt. Für das vierte Quartal planen rund 40% der Hersteller Kurzarbeit.

Große Sorgen bereitet der Branche zudem der stockende Wohnungsneubau, der auf einen Auftragsmangel wegen gestiegener Zinsen und höherer Baukosten sowie auf langwierige Genehmigungsverfahren zurückzuführen sei. Laut Statistischem Bundesamt wurden im ersten Halbjahr 85.300 Neubauwohnungen genehmigt und damit 23,5% weniger als im Vorjahreszeitraum. „Rechnet man diese Zahlen für das Gesamtjahr hoch, werden nicht einmal 200.000 Einheiten genehmigt und die Regierung entfernt sich noch weiter von dem (richtigen) Ziel, 400.000 Wohneinheiten pro Jahr zu schaffen. Und Wohnungen, die nicht genehmigt werden, werden auch nicht gebaut und dann am Ende auch nicht eingerichtet“, so Kurth. Einrichtungsbedarf entsteht allerdings nicht nur durch Neubauten, sondern auch durch Bauen im Bestand in Form von Umbauten, Modernisierungen oder Dachaufstockungen. Beim Bauen im Bestand betrug das Minus bei den Baugenehmigungen im ersten Halbjahr nur acht Prozent auf 18.067 Wohnungen – ein im Vergleich milderer Rückgang. „Auch in diesem Bereich sehen wir für unsere Hersteller Chancen“, so Kurth.  

Keine Impulse aus dem Export

Weniger Chancen bestehen indes derzeit auch im Exportgeschäft. In den meisten europäischen Märkten kam es in der ersten Jahreshälfte zu Absatzrückgängen. Die Ausfuhren nach Frankreich, dem wichtigsten Exportmarkt, sanken um 8,7% auf knapp 660 Mio. Euro. Schwächer entwickelten sich auch die Lieferungen in die Schweiz  mit minus 8,3%), nach Österreich mit minus 13%, in die Niederlande mit minus 11,3%, in das Vereinigte Königreich mit minus 4,2% sowie nach Belgien mit minus 8,9%. Die Möbellieferungen in die Vereinigten Staaten, die mit Abstand wichtigste Absatzregion für Möbel „Made in Germany“ außerhalb Europas, rangierten mit knapp 130 Mio. Euro in etwa auf dem Vorjahresniveau. Durch die gemeinsamen Messeaktivitäten konnte hier der Absatz von Küchenmöbeln um 5,2% gesteigert werden. Ein Wachstum von 6,4% auf rund 76 Mio. Euro gelang bei den Exporten nach China. China als weltweit größter Möbelmarkt stellt damit weiterhin den zweitwichtigsten außereuropäischen Exportmarkt für deutsche Möbel dar.

Die Industrieexportquote – dies ist der Anteil der von den heimischen Möbelherstellern direkt ins Ausland gelieferten Ware am Gesamtumsatz der Branche – lag im ersten Halbjahr 2024 bei 33,1% und damit leicht unter dem Wert des Vorjahrs von 33,6%. Die Bedeutung des Auslandsgeschäfts hat in den vergangenen Jahrzehnten enorm zugenommen: Seit dem Jahr 2000 konnte die Branche ihre Exportquote mehr als verdoppeln. Der Ausbau der Auslandsaktivitäten steht auch weiterhin stark im Fokus.

Die deutschen Möbelimporte sanken von Januar bis Juni 2024 leicht um rund ein Prozent auf 4,8 Mrd. Euro. Die beiden größten Lieferländer entwickelten sich dabei uneinheitlich. Während die Einfuhren aus dem auf Rang eins platzierten Polen um 7,4% auf rund 1,43 Mrd. Euro einbrachen, zogen die Möbellieferungen aus China um 14% auf 1,36 Mrd. Euro an. Dabei ging der Durchschnittspreis der chinesischen Möbelimporte um rund zehn Prozent zurück, was darauf schließen lässt, dass in erster Linie das Preiseinstiegssegment über China-Importe bedient wird. Die Aufwertung des Euro gegenüber dem Renminbi Yuan um über fünf Prozent im betrachteten Zeitraum begünstigte diese Entwicklung. Aktuell stammen 29,5% aller nach Deutschland importierten Möbel aus Polen; China steht für rund 28%. Rückläufig entwi-ckelten sich die Importe aus Italien mit minus 8,8% und der Türkei mit minus 7,6%. Ein starker Anstieg von rund 25% wurde bei den Möbellieferungen aus Vietnam verzeichnet.

Hoffnungsvoller Ausblick

Für den Herbst hofft die Branche auf eine Fortsetzung der Erholung der Konsumstimmung und damit auch eine leichte Belebung der Möbelnachfrage. „Für das Gesamtjahr 2024 gehen wir vor diesem Hintergrund von einem Umsatzrückgang von sieben bis neun Prozent aus“, prognostizierte Kurth. Im vergangenen Jahr hatte unsere Branche einen Umsatz von 17,7 Mrd. Euro erzielt, ein Minus von 5,7%.

Galerie


zum Seitenanfang

zurück